Wir feiern 70 Jahre FIR
1. Juli 2021
Vom 30. Juni bis 3. Juli 1951 fand in Wien der Internationale Friedenskongress der Widerstandsbewegung statt. Das war die Geburtsstunde der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), der Dachorganisation ehemaliger Partisanen, Deportierter und Verfolgter des Naziregimes aus allen Ländern Europa.
Seit 70 Jahren ist Internationalismus die Antwort auf die nationalistische und chauvinistische Ideologie der jeweiligen faschistischen Herrschaft. Darüber hinaus waren und sind faschistische Ideologie und Politik, Rassismus und imperialistischer Expansionismus eine direkte Bedrohung für alle Völker. Sie konnten und können nur im gemeinsamen Kampf aller von diesen Regimen bedrohten Länder und Völker bekämpft werden. Und wir vergessen auch nicht, dass die faschistische Barbarei nur durch den gemeinsamen Kampf der Völker und insbesondere der Armeen der Anti-Hitler-Koalition geschlagen werden konnte.
Die Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung wollten in ganz Europa den Prozess der demokratischen Neugestaltung mit politischer Stimme unterstützen. Zu diesem Zweck fanden sich unmittelbar nach der Befreiung Vertreter von Organisationen der politischen Häftlinge und Widerstandskämpfer aus 17 europäischen Ländern aus Ost und West zusammen, um im Februar 1946 in Warschau die FIAPP (Fédération Internationale des Anciens Prisonniers Politiques, Internationale Föderation ehemaliger politischer Gefangener) zu gründen. 1948 wurden auch die Antifaschisten aus Deutschland und Österreich in diese Gemeinschaft aufgenommen.
Der Kalte Krieg ging auch an der FIAPP nicht spurlos vorbei. Statt die Einheit der Widerstandskämpfer zu fördern, drohte ein Auseinanderdriften der politischen Kräfte des Antifaschismus. Daher wurde Anfang der 50er Jahre ein neuer Ansatz unternommen, die unterschiedlichen Positionen und Organisationen ehemaliger Widerstandskämpfer und Deportierter im Interesse der politischen Wirksamkeit der Stimme der Widerstandskämpfer in ganz Europa zusammenzuführen, denn die Aufbruchseuphorie des antifaschistischen Neubeginns war durch die Realität der zunehmenden Restauration und Remilitarisierung, der Ost-West-Spannung und zunehmenden Kriegsgefahr verflogen. Ende Juni 1951 luden die Überlebendenverbände zu einer internationalen Friedenskonferenz nach Wien ein.
In dieser Situation – so beschrieb es Oskar Wiesflecker , langjähriger Generalsekretär der FIR – erkannten die Menschen, die im antifaschistischen Widerstand und nationalen Befreiungskampf gegen die nazistischen und faschistischen Aggressoren und Okkupanten aktiv teilgenommen und Leid und Verfolgung auf sich genommen hatten, dass der Zusammenschluss der europäischen Widerstandskämpfer ein Gebot der Stunde war, um der Wiedergeburt des Nazifaschismus entgegenzutreten, über die wiedererrungenen demokratischen Freiheiten zu wachen, die Werte der, Widerstandsbewegung zu verteidigen und jene Prinzipien zu stärken, die die Basis der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen war. Dies war der Geist, aus dem die FIR geboren wurde und dem sie bis heute ihre unverbrüchliche Treue bewahrt hat.
Mit der Gründung der Organisation im Sommer 1951 in Wien übernahm die „Internationale Föderation der Widerstandskämpfer“ (FIR) die Aufgabe, die politischen Vorstellungen und Visionen der Widerstandskämpfer „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ zu vertreten. Sie vertrat die Opfer des Faschismus in ihren sozialen und medizinischen Ansprüchen und sie arbeitete für das Gedenken an den Widerstandskampf und die illegalen Widerstandsgruppen in vielen Ländern.
Es ist hier nicht der Platz, alle politischen Handlungsfelder in den vergangenen Jahrzehnten aufzulisten. Dazu gehörte die Verbreitung des Wissens über die Geschichte des Widerstandskampfes, was mit verschiedenen Geschichtskonferenzen und mehreren Heften der Widerstandsbewegung, sowie pädagogischen Beratungen mit Wissenschaftlern, Lehrkräften und Hochschullehrern versucht wurde. Dazu gehörten der Kampf um Frieden und Entspannungspolitik, sowie der Einsatz für Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsinitiativen nicht nur in Europa, sondern auch im Nahen Osten. Dazu gehörte die politische Solidarität gegen die Verfolgung antifaschistischer Verbände und ihrer Mitglieder, was in der Unterstützung der deutschen VVN gegen deren Verbotsprozess 1962 erfolgreich war, und sich in internationalen Solidaritätsaktionen für verfolgte griechische Antifaschisten oder gegen Berufsverbote in der BRD niederschlug. Dazu gehörte die breite Mobilisierung gegen Geschichtsrevisionisten aus den ehemaligen SS-Verbänden, die mit Traditionstreffen zur Rehabilitierung des NS-Regimes beitrugen.
Seit 2004 trägt die Organisation den Namen „Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten“. Heute hat die FIR Mitgliedsorganisationen in mehr als 25 europäischen Ländern, Israel und Lateinamerika. Die politischen Umstände haben sich verändert, aber die zentrale Aufgabe ist in der Losung „Nie wieder!“ fixiert.
Das bedeutet die Bewahrung der historischen Wahrheit über den Widerstandskampf, über die Realität des Faschismus und die Rolle der Antihitlerkoalition, der alliierten Streitkräfte – unter ihnen die sowjetischen Soldaten, die die Hauptlast des Krieges trugen – bei der Zerschlagung der faschistischen Barbarei.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände handeln als internationales Netzwerk vor Ort und auf europäischer Ebene gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Xenophobie, Neofaschismus, Nationalismus und Rechtspopulismus. Sie unterstützen Gruppen und Netzwerke, die sich gegen solche Entwicklungen stellen.
Die FIR als „Botschafter des Friedens“ der Vereinten Nationen ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder für nichtmilitärische Lösungen in Konflikten in der Welt eingetreten. Sie handelt sowohl gegen Kriegsursachen als auch gegen Kriegshetzer, die ihre imperialistischen Ziele, ihren Rohstoffbedarf und ihre geopolitischen Interessen durchsetzen wollen, und Militärbündnisse, die sich als „Weltpolizei“ betrachten.
Die Stärke der FIR ist ihre Gemeinsamkeit, die sich trotz unterschiedlicher politischer Orientierung, gesellschaftlicher Visionen oder religiöser Werte ergibt. Jeder Weg zum Antifaschismus ist in der FIR willkommen. Diese Einheit muss immer wieder erneuert werden, gerade jetzt, wo die Generation der Überlebenden uns verlässt. Alle Mitgliedsverbände sind aufgerufen, ihre Struktur für heutige Generationen zu öffnen. Alle Mitgliedsverbände sind herausgefordert, die Ideale des antifaschistischen Erbes mit den Generationen der heutigen Zeit zu teilen, die ihre eigenen Themen und Perspektiven in die politischen Auseinandersetzungen einbringen.
Basierend auf der Gemeinsamkeit des Kampfes gegen den Faschismus bewahren die Verbände der FIR das Vermächtnis der Überlebenden und treten auch im nächsten Jahrzehnt ein für Frieden, politische und soziale Menschenrechte und Demokratie, „eine neue Welt des Friedens und der Freiheit“.