«Köln ist bunt nicht braun!»

21. September 2008

Großartiger Erfolg der antifaschistischen
Kräfte gegen Rassismus

Am Samstag, 20. September 2008, demonstrierten in Köln weit über 40.000 Menschen, unter ihnen Mitglieder der Verbände der FIR, gegen ein geplantes europaweites Treffen von rassistischen und neofaschistischen Parteien und Gruppen. Angekündigt von «pro Köln» wollten dort Vertreter des Vlaams Belang, der Freiheitlichen Partei Österreichs, des Front National, der Lega Nord und der British National Party ihre rassistische Hetze öffentlich verkünden.

Auch die blauen FIR-Fahnen waren auf der Kölner
Großkundgebung
zu sehen.

Foto: Express, Köln

Auch die blauen FIR-Fahnen waren auf der Kölner Großkundgebung
zu sehen.

Gegen diese Provokation bildete sich in Köln ein sehr breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, gesellschaftlichen Organisationen und politischen Parteien, das mit vielfältigen Aktionsformen diesem Treffen erfolgreich Widerstand entgegensetzte. Auf der Auftaktkundgebung am Fuße des Kölner Doms sprachen vor mehreren 10.000 Demonstranten der Oberbürgermeister der Stadt Köln, eine Vertreterin der katholischen Kirche, eine Kollegin des DGB und die FIR.

Im Auftrag von Präsident Michel Vanderborght, der aus gesundheitlichen Gründen verhindert war, verlas Generalsekretär Ulrich Schneider unter großem Beifall die Ansprache der FIR (siehe unten).

Anschließend zogen die Kundgebungsteilnehmer zu dem geplanten Aufmarschplatz der Rassisten. Durch friedliche Blockaden, die allein durch die große Zahl der Menschen unüberwindlich waren, gelang es, den rechten Aufmarsch zu verhindern.

Wir dokumentieren die Rede Michel Vanderborghts, Präsident der FIR:

Ansprache Köln, 20. September 2008, Roncalli-Platz

Liebe Freunde,

die Fédération Internationale des Résistants (FIR) — Association Antifasciste, die über 50 Mitgliedsverbände in mehr als 20 europäischen Ländern und in Israel hat, grüßt alle Teilnehmer der heutigen Kundgebung gegen das europäische Rassistentreffen in Köln.

In den Reihen unserer Verbände befinden sich Widerstandskämpfer und Partisanen, ich selber gehörte den Partisanenverbänden in Belgien an, die gegen die deutsche Okkupation kämpften. Zu uns gehören ehemalige KZ-Häftlinge, Deportierte und Opfer der rassistischen Verfolgung und Vernichtungspolitik und ihre Angehörigen, Mitstreiter der Anti-Hitler-Koalition und Vertreter der jüngeren Generationen, die sich dem Vermächtnis des Widerstandes verbunden fühlen.

Wir haben uns in unserer politischen Agenda geschworen, alles dafür zu tun, dass nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg unser Land und Europa bedrohen. Und deshalb setzen wir uns mit aller Kraft ein gegen das Wiedererstarken von rassistischen Gruppen und Parteien in den verschiedenen Ländern Europas.

Ich komme aus Belgien und muss euch daher sicherlich nicht begründen, warum ich persönlich und unsere Organisationen sich aktiv einsetzen gegen solche rechten Aufmärsche. Seit vielen Jahren erleben wir die politische Propaganda des Vlaams Blok, der sich jetzt unter Filip Dewinter Vlaams Belang nennen muss. Diese Partei verkündet nicht nur rassistische Thesen, sondern ist auch massiv separatistisch. Vlaams Belang arbeitet damit an der Zerstörung Belgiens als gemeinsamer Staat der Flamen, Wallonen und der deutschsprachigen Gemeinschaft, in dem natürlich auch Menschen aus anderen Ländern und Kulturen, mit unterschiedlichen Religionen und Anschauungen ihren Platz haben sollen.

Die Propaganda dieser Gruppe führte vor einigen Monaten dazu, dass ein junger Mann — ein Anhänger des Vlaams Belang — in Antwerpen auf offener Straße eine junge Frau, eine Türkin, und das Kind, das sie bei sich hatte, tötete und eine weitere Frau schwer verletzte. Seine Begründung: Er wolle etwas tun gegen die «Fremden».

Wenn heute hier in dieser Stadt auf Einladung der Partei «pro Köln» die belgischen Repräsentanten der rassistischen Propaganda ebenfalls auftreten sollen, dann können wir als Organisation von Veteranen und jungen Antifaschisten nur davor warnen, dass es zumeist nicht bei Worten bleibt, sondern dass oftmals blutige Taten folgen — angeblich von «Einzelgängern».

Ich will diese Beispiele nicht fortsetzen, aber doch deutlich machen, dass neofaschistische und rassistische Feindbilder viele Gesichter haben können: In osteuropäischen Ländern und aktuell in Italien sind es Sinti und Roma, in Russland sind es Menschen aus der Kaukasus-Region, in Frankreich Einwanderer aus dem Magreb, in den Niederlanden richtet sich der Rassismus gegen Einwanderer, in Deutschland gegen Türken.

Wer heute nicht «Stopp dem Rassismus» sagt, der wird erleben, dass Übergriffe gegen Menschen anderer Hauptfarbe, anderer Religionen und Kulturen, anderer Nationalitäten deutlich zunehmen.

Und war es nicht erst vor einem Jahr, dass auf einem «Volksfest» in Ostdeutschland eine Gruppe Inder von einem 40 bis 50-köpfigen Mob durch die Straßen gehetzt wurde?

Liebe Freunde,

weil uns diese Beispiele zeigen, dass Neofaschismus, Rassismus und religiöse Intoleranz keine lokalen oder nationalen Probleme sind, haben wir uns als Internationale Föderation der Widerstandskämpfer schon früh in die Reihen der Protestierer gegen diese Provokation von Köln eingeordnet. Und wir haben Persönlichkeiten des öffentlichen und politischen Lebens in verschiedenen Ländern angefragt, unseren Protest zu unterstützen.

Wir sind stolz darauf, dass der Bürgermeister von Brüssel Freddy Thielemans ganz selbstverständlich unseren Protest unterstützte. Die Vertreter der wichtigsten belgischen Gewerkschaftsorganisationen stehen an unserer Seite. Aus den Niederlanden möchte ich aus der Zahl der Unterstützer nur die Auschwitzüberlebende Celine de Hoek nennen. Aus Luxemburg und Frankreich haben ebenfalls Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen und des öffentlichen Lebens ihre Stimme gegen dieses Treffen erhoben.

Und ich begrüße junge Antifaschisten aus Belgien, Niederlande, Luxemburg und Frankreich, die heute an den verschiedenen Protestaktionen beteiligt sind. Sie unterstreichen mit ihrer Teilnahme, dass der rassistischen und neofaschistischen Zusammenarbeit eine Internationale des Antifaschismus in Europa entgegentritt. Unsere Organisation, die FIR, versteht sich als Teil dieser Bewegung.

Wir konnten erst jüngst mit einem beeindruckenden internationalen Jugendtreffen in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, an dem 1000 junge Leute aus ganz Europa teilnahmen, zeigen, dass Antifaschismus ein einigendes und mobilisierendes Band zwischen Völkern und Generationen darstellt.

In diesem Sinne danke ich allen, die heute ihre antifaschistische und demokratische Überzeugung auf dieser Kundgebung und auf der Straße zeigen, ich danke den Veranstaltern für diese großartige Mobilisierung und Organisation und die Gelegenheit hier als Präsident der FIR sprechen zu dürfen.

Ich rufe euch zu: Bleibt standhaft!

No pasaran — sie werden nicht durchkommen!

Euer Handeln ist richtig und notwendig für unsere gemeinsame Zukunft in einem offenen und demokratischen Europa:

Denn es bleibt dabei: Faschismus und Rassismus sind keine Meinung, sondern einfach nur Verbrechen!

Michel Vanderborght
Präsident der Fédération Internationale des Résistants (FIR) — Association Antifasciste