31. Mai 2019
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Das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament hat auf der einen Seite die Sorgen der Antifaschisten und Demokraten bestätigt, auf der anderen Seite aber auch die unterschiedlichen politischen Kräfteverhältnisse in den jeweiligen Ländern unterstrichen.
Einige charakteristische Merkmale lassen sich bei allen Ergebnissen erkennen:
In fast allen europäischen Ländern stieg die Wahlbeteiligung. Das ist nicht das Ergebnis einer „Europa-Euphorie“, sondern zeigt die Sorge vieler Menschen in den verschiedenen Ländern, dass eine niedrige Wahlbeteiligung zu einer erhöhten Zahl von Abgeordneten der extrem rechten, nationalistischen und rechtspopulistischen Parteien führen könnte. Und tatsächlich haben in einigen Ländern, in denen eine hohe Wahlbeteiligung zu verzeichnen war, extrem rechte Parteien deutlich unter ihren Erwartungen abgeschnitten.
Die bisherigen Mehrheitsparteien der europäischen Volksparteien (EVP) oder der Gruppe der sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien Europas (PSE) haben etwa 25 % ihrer Mandate verloren. Das macht einmal mehr deutlich, dass viele Menschen in den Ländern der Europäischen Union mit der Politik und Entwicklung dieser europäischen Politik unzufrieden sind. In dem Aufruf der FIR und weiterer europäischer Antifaschisten formulierten wir unsere Kriterien für ein anderes Europa. Wir wollen keine Europa der Konzerne und Banken, sondern der Bürger und der sozial Schwachen. Von den bisherigen Mehrheitsparteien erwarten die Menschen offenkundig keine Lösung der drängenden politischen Probleme. Auch die politische Linke musste Verluste hinnehmen, wobei insbesondere die Niederlage der SYRIZA-Partei, sowie Verluste in Frankreich und Deutschland ins Gewicht fallen.
Fragen der Umweltpolitik haben in verschiedenen Ländern der EU eine große Bedeutung bekommen. Junge Menschen engagieren sich für „Friday for Future“ und andere Themen. Die Parteien der Ökologie-Bewegung konnten daher ihre Stimmenanteile in vielen Ländern deutlich erhöhen. Es muss sich erst erweisen, ob diese Stimmen auch für eine konsequent antirassistische und Friedenspolitik wirksam werden können.
Auffällig ist es, dass Regionalparteien oder Nischenparteien, die sich für Einzelinteressen von Menschengruppen einsetzen, in größerer Zahl im Europäischen Parlament vertreten sind. Bei ihnen ist es noch nicht auszumachen, welche Positionen sie zu weitergehenden Fragen wie die Militarisierung Europas, die Verschärfung der Grenzregime (FRONTEX) oder den neoliberalen Wirtschaftskurs einnehmen werden. Sie sollten aber Ansprechpartner für politische Initiativen auf europäischer Ebene sein.
Im Vorfeld der Wahlen wurde vielfach spekuliert, dass extrem rechte und rechtspopulistische Parteien zur größten politischen Fraktion im Europa-Parlament aufsteigen könnten. Diese rechten „Höheflüge“ erlitten – zum Glück – eine politische Bauchlandung. Zwar wuchs der Anteil der Stimmen der italienischen Lega auf über 30 %, was eine Verdoppelung ihrer Stimmen bedeutete. Der französische RN (früher FN) von Marine LePen wurde die stärkste Partei in Frankreich, auch wenn sie deutlich hinter den Ergebnissen der Parlamentswahlen zurückblieben. Auch die deutsche AfD konnte ihre Stimmenzahl auf 11% steigern. Aber auch sie blieb deutlich hinter ihrem Ergebnis bei der deutschen Bundestagswahl zurück. Die FPÖ, die als Regierungspartei angetreten ist, verlor durch den Skandal um ihren Frontmann HC Strache deutlich an Einfluss. Auch in anderen Ländern (Niederlande – Wilders, Dänemark – Danske Volkeparti, Finnland – die wahren Finnen) blieben sie hinter ihren früheren Ergebnissen zurück. Zusammen mit weiteren Rechtsparteien gewannen sie ungefähr die Zahl der Mandate hinzu, die die EVP verloren hat.
Insgesamt kann man festhalten, dass es in diesem Wahlkampf zum ersten Mal eine breite internationale gesellschaftliche Mobilisierung – nicht für eine Partei, sondern gegen den Vormarsch der europäischen Rechten gegeben hat. Der Machtanspruch von LePen (RN), Salvini (Lega), Strache (FPÖ), Wilders (PVV), Meuthen (AfD) und anderer Führer europäischer Rechtsparteien, den sie in den vergangenen Monaten mehrfach erhoben haben, hat viele Menschen gegen diese Gefahren mobilisiert und zu einem deutlich schlechteren Resultat der Rechtsparteien geführt, als diese es sich erhofft hatten.
Als die schwarz-blaue Regierung in Wien an die Macht kam, gab es mit 60.000 bzw. 80.000 Teilnehmenden die größten Demonstrationen und Kundgebungen der vergangenen Jahre.
In Frankreich mobilisierte die politische Linke und die Gewerkschaftsbewegung nicht nur gegen den Vormarsch von Le Pen, sondern verband ihre Proteste auch mit einem aktiven Widerstand gegen die geplanten Einschnitte in das sozialpolitische System durch die Macron-Regierung. Und durch die „Gelbwesten-Bewegung“ entstand eine gesellschaftliche Widerstandskraft, die das politische System in Frankreich nachhaltig erschütterte.
Während die Rechten in Mailand bei ihrer „Großkundgebung“ etwa 15.000 Teilnehmende mobilisierten, demonstrierten in dieser Stadt anlässlich des Verfassungstages am 25. April 2019 mehrere 10.000 Menschen „für die antifaschistischen Werte der Verfassung und der Freiheit gegen alle Formen des Faschismus!“
In Deutschland zeigte die Massendemonstration „#unteilbar“ mit fast einer viertel Millionen Teilnehmenden in Berlin im Herbst 2018 und 150.000 Kundgebungsteilnehmer am Wochenende vor der Europawahl auf sechs Kundgebungen gegen Nationalismus und für ein soziales Europa, dass insbesondere junge Menschen bereit waren, sich für ein anderes, ein antifaschistisches Europa einzusetzen.
Mitte März hatten in ganz Europa insbesondere antirassistische Initiativen mit Demonstrationen, Kundgebungen und anderen kreativen Aktionsformen deutlich gemacht, dass sie sich gegen die Flüchtlingspolitik der Regierenden in Europa wehren und für eine humane und solidarische Hilfe eintreten.
Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die FIR und die antifaschistischen Verbände in den jeweiligen Mitgliedsländern sich mit öffentlichen Erklärungen und anderen Aktionen deutlich in diesem Wahlkampf zu Gehör gebracht haben. Die gemeinsamen Erklärungen wurden in verschiedenen Ländern präsentiert und durch die Medien kommuniziert. Die Erklärungen wurden vielfach genutzt, um auch eigene Appelle und Aufrufe in den verschiedenen Ländern zu verbreiten.
Hier zeigte sich einmal mehr, dass die Mitgliedsverbände der FIR und der mit ihnen verbundenen Kräfte tatsächlich in der Lage sind, wirksam in die politischen und gesellschaftlichen Debatten und Kämpfe einzugreifen.
Dass es in Europa keinen Durchmarsch der extremen Rechten, der Faschisten, Nationalisten und Rechtspopulisten gegeben hat, ist es auch ein Verdienst der internationalen antifaschistischen Bewegung. Darauf dürfen wir uns jedoch nicht ausruhen. Wir müssen weiterarbeiten an der Vernetzung der antifaschistische Verbände und antirassistischen Initiativen. Einbezogen werden müssten darin auch globalisierungskritische Organisationen und die Friedensbewegungen in den verschiedenen Ländern. Und als gewichtiger gesellschaftlicher Partner ist dabei auch die Verbindung zu den Gewerkschaften auszubauen. Die positiven Erfahrungen der politischen Initiativen der vergangenen Wochen zeigen, dass solche gesellschaftliche Bündnisse möglich sind. Sie weiterzuentwickeln sollte ein gemeinsames Ziel aller Antifaschisten sein zum „Aufbau einer breiten demokratischen und Front der Menschen“ (Antifaschistischer Appell zur Europawahl).
Wir werden die Rechten in Europa nicht durchkommen lassen!